Amnesia - The Bunker

Amnesia - The Bunker Test+

Atmosphärischer Überlebenskampf

Benjamin Braun / 8. Juni 2023 - 12:21 — vor 1 Jahr aktualisiert

Teaser

Seit Penumbra ist Frictional Games für hochwertige Survival-Horror-Spiele bekannt, die Atmosphäre, Versteckspiele und Rätsel ins Zentrum stellen. Das neue Werk der Schweden schlägt in dieselbe Kerbe, doch ist es auch ähnlich gut?
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Alle Screenshots und Spielszenen stammen von GamersGlobal
Kurztests sind unser Format, um euch kompakt über Spiele zu informieren, die sonst vielleicht unter den Tisch fallen würden. Statt der typischen Wertung zwischen 1 und 10, gibt es bei Kurztests eine"Daumen-Wertung".


Man kann ja von vielen Entwicklern behaupten, dass sie im Kern wieder und wieder dasselbe Spiel machen und dabei eher nuancierte Veränderungen vornehmen. Das gilt nicht zuletzt für große Triple-A-Produktionen wie Call of Duty oder Assassin's Creed, ist aber auch bei Indie-Studios keine Ausnahme. Beim schwedischen Entwickler Frictional Games etwa, der sein Spielkonzept von Penumbra über Amnesia bis hin zu Soma immer wieder veränderte, unterm Strich aber dennoch sehr ähnliche Surival-Horror-Titel ablieferte. Alle Frictional-Spiele haben gemein, dass hier zwar auch Action in unterschiedlicher Ausprägung vorhanden ist (etwa in Form von Fluchtpassagen), der Fokus aber klar auf der Gruselatmosphäre liegt. Ihr seid Gefahren wehrlos ausgesetzt, müsst zudem mit Vorräten haushalten und Rätsel lösen.

Bei Amnesia handelt es sich gewissermaßen um eine Anthologie-Serie. Nach dem berühmten ersten Teil in einem preußischen Gruselschloss, dampfte das nachfolgende Amnesia - A Machine of Pigs für seine Geschichte um einen verhängnisvollen Neujahrsabend in London die Spielmechaniken stark herunter – das wundert weniger, wenn man weiß, dass in dem Fall The Chinese Room (Dear Esther) der Entwickler war. Wieder intern bei Frictional Games entstand Amnesia - Rebirth (im Test, Note 7.5). Darin erkundet der Spieler Ruinen in Algerien und fremde Welten. Rebirth legte den Fokus jedoch ebenfalls stärker auf Erkundung, Rätsel und die Angst der schwangeren Hauptfigur um ihr ungeborenes Kind, was zulasten des klassischen Horrors ging. Nun erscheint mit Amnesia - The Bunker der nunmehr vierte Serienteil. Wieder ist das Szenario ganz eigenständig: 1916 geht es mit einem französischen Soldaten im Ersten Weltkrieg in den namensgebenden Bunker. Das einzige Ziel: dem unterirdischen Verließ und dem dort lauernden Monster lebend zu entkommen. Mit dem neuesten Streich gelingt es Frictional Games nun wieder, für zünftige Horror-Stimmung zu sorgen.
Sobald ihr Stock und Stofffetzen habt, könnt ihr eine Fackel bauen – zum Entzünden ist ein Feuerzeug notwendig. Das Teil spendet nicht nur Licht, ihr könnt damit auch die potenziell tödlichen Ratten vertreiben, um wie hier an eine Erkennungsmarke zu kommen.


Gruselige Bunkerflucht

Die Qualitäten von The Bunker machen sich nicht sofort bemerkbar. Wenn es nach den ersten grob zehn Minuten geht, die der Prolog in Anspruch nimmt, hätte ich sogar privat wohl den "zurück zum Desktop"-Button geklickt und wäre so schnell nicht mehr zurückgekehrt. Eine schon beim Nachladen der Waffe umständliche Steuerung und vor allem eine bestenfalls unterdurchschnittliche Inszenierung der Geschehnisse im Schützengraben, das schreckt ab. Aber diese teils peinliche Anfangsphase (die nicht zuletzt auf das geringe Budget des Indie-Studios zurückzuführen sein dürfte) ist dann schnell überwunden.

Landet der französische Soldat erstmal im Bunker, spielen Licht und Orientierung wie in früheren Frictional-Titeln eine große Rolle. Hier müsst ihr aber nicht mit begrenzten Zündmitteln Kerzen anzünden wie im ersten Amnesia. Ja nicht mal euren Lichtspender müsst ihr mit einer Ressource aufladen. Eure Dynamo-Taschenlampe zieht ihr stattdessen auf. Je häufiger, umso länger leuchtet das Teil, allerdings erzeugt der Mechanismus auch immer mehr Lärm, je häufiger ihr an der Schnur zieht. Die gefährlichen Ratten, die an bestimmten Punkten lauern, juckt das nicht, wohl aber das rätselhafte Monster, das aus verschiedensten Öffnungen in den Wänden kommt und euch unweigerlich tötet, wenn es euch erwischt. Ihr könnt es hingegen nicht zur Strecke bringen, sondern mit Waffengewalt lediglich in die Flucht schlagen oder eure Ressourcen schonen, indem ihr euch vor ihm versteckt – auf Dauer ist letzteres fast schon übertrieben effektiv.

Nur im klammen Lichtschein eurer Taschenlampe, müsst ihr euch aber nicht durch den Bunker bewegen. Es gibt überall mal mehr, mal weniger üppige elektrische Beleuchtungsquellen. Die funktionieren allerdings nur, wenn ihr einen Generator mit Benzinkanistern versorgt. Letzteres ist eher optional, aber definitiv von Vorteil. Denn das Monster scheint beim Gebrauch der Taschenlampe tendenziell häufiger zu erscheinen, als wenn ihr die elektrischen Glühkörper nutzt. Aber nicht nur die Sprit-Ressourcen sind begrenzt, ihr müsst euch auch sonst immer entscheiden, wie ihr das verfügbare Material am sinnvollsten einsetzt.
Ihr entscheidet, wie ihr die Materialien nutzt. Stellt ihr einen Molotowcocktail her, braucht ihr unter anderem Benzin, mit dem ihr auch den Stromgenerator füttert. Ihr verbraucht zudem Stofffetzen. Zwei davon ergeben alternativ eine heilsame Mullbinde.


Ein Hauch von Dark Souls

In Amnesia - The Bunker findet ihr allerlei Kram, den ihr auf verschiedenste Weise verwenden könnt. Benzin-Kanister nutzt ihr etwa nicht nur zum Nachfüllen des Generator-Tanks. Habt ihr zusätzliche eine leere Flasche und ein Stück Stoff dabei, könnt ihr aus den drei Zutaten auch einen Molotow-Cocktail bauen. Um diesen auch einsetzen zu können, benötigt ihr allerdings zusätzlich ein Feuerzeug, das ihr nur aus dem Spind eines anderen Soldaten erhaltet – und dafür braucht ihr den vierstelligen Code.

Wann ihr den findet, hängt stark auch von eurer Vorgehensweise ab. Es gibt zwar anfangs einige vorgelagerte Schritte wie das Öffnen der Notabrieglungstore, was euch erst ermöglicht, die anderen Teile des Bunkers zu betreten. Abseits dessen verläuft The Bunker aber vergleichsweise non-linear. Ihr könnt also etwa zunächst die zentrale Aufgabe im Gefängnistrakt bewältigen oder die in einem anderen der Außensektoren. Dabei erhaltet ihr zudem verschiedene Werkzeuge wie einen Bolzenschneider, mit dem ihr Trittfallen entschärfen, aber vor allem Metallketten durchtrennen könnt, was euch weitere Gebietsteile eröffnet oder einfach das Entriegeln von Aktenschränken erlaubt, in denen ihr dann oft eine Zusatztasche zur Inventarerweiterung findet.

Euer anfangs sehr kleines Inventar zwingt euch nämlich immer wieder dazu, Dinge liegen zu lassen. Je größer euer Fundus, umso mehr nehmt ihr direkt mit zum Safehouse mit, wo ihr nicht nur speichert, sondern auch (in begrenztem Ausmaß) Material in einer Vorratstruhe lagert. Sterbt ihr, werdet ihr zum letzten Punkt zurückgesetzt, an dem ihr aktiv im Safehouse gespeichert habt. Ihr verliert also nicht wie in Dark Souls verbrauchte Inventarobjekte, sondern sämtlichen seitdem erzielten Fortschritt. Trotzdem weckt The Bunker damit gewisse Erinnerungen an die Spielmechanik von Dark Souls, zumal zumindest die an sich tötbaren Ratten respawnen.

Dieses Prinzip hat nicht zuletzt atmosphärische Vorteile. Denn je länger mein Ausflug dauert, umso mulmiger wird mir, da ich eben auch mehr verlieren kann. Ich bin entsprechend relativ häufig zum Safehouse zurückgelaufen, aber nie so oft, dass es mir auf die Nerven ging. Denn: Wenn man bereits weiß, was man machen muss, wo man einen Schlüssel findet oder wo es sich besonders lohnt, mit einer Granate eine Holztür aufzusprengen, geht das beim nächsten Mal auch schneller. So ein bisschen Trial-and-Error hilft also, wobei ihr ausreichend Hinweise erhaltet, wo es etwas Interessantes zu finden gibt. Auf dem Schlauch steht man also nie, aber wer alles intensiv und frei erkunden will, findet Schlüssel gegebenenfalls schon ohne die Hinweise in der Umgebung. Für das eigene Vorgehen bestraft wird hier also niemand.
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Nur im Safehouse im Zentrum des Bunkers speichert ihr aktiv und habt Zugriff auf eine Vorratskiste. Ebenfalls nur dort gibt es die Karte, die ihr durch Fundstücke vervollständigt. Das erschwert die Orientierung unterwegs.
 

Dichte Atmosphäre, starke Soundkulisse

Falls ihr die bisherigen Werke von Frictional Games kennt, bekommt ihr also im Wesentlichen noch mal dasselbe wie im ersten Amnesia oder auch in Soma. Das finde ich indes ausdrücklich gut, zumal sich im Kleinen eben doch einiges ändert und das Setting im Erster-Weltkriegs-Bunker doch wieder ein ganz anderes ist. Woran sich ebenfalls wenig ändert, ist die beinahe durchweg intensive Atmosphäre. Das Spiel mit Licht und Schatten und die wachsende Angst vor Fortschrittsverlust, je weiter ich mich vom Safehouse entferne, sind aber nur Teilaspekte. Einer der wichtigsten bleibt die Soundkulisse.

Es gibt zwar durchaus auch Situationen, in denen sie besser sein könnte – und ich weiß auch nicht, ob sie mit einer fetten Surround-Anlage genauso gut funktioniert.
Aber im Stereobetrieb mit Kopfhörern zündet das Sound-Design eigentlich immer, auch in den "künstlichen" Momenten, wenn etwa das überlaute Herzklopfen meines Helden erklingt, wenn gerade das Monster zugegen ist. Zweifellos, wie vieles andere eher handgemacht als alle technischen Möglichkeiten ausreizend. Aber die Qualität stimmt.

Nur die Sprachausgabe finde ich nicht ganz optimal. Briefe und andere Notizen haben wieder den größeren Anteil daran, euch die Geschichte näherzubringen, warum im Bunker noch ein ganz anderes Grauen als das des Krieges lauert. Doch wenn es schon um französische Soldaten geht, warum sprechen sie Englisch und das in den teils vorgelesenen Briefen dann auch noch oft mit französischem Akzent? Den finde ich genauso doof wie das Pseudo-Russisch in den frühen Teilen von Metro. Aber es gibt Schlimmeres, zumal zum Beispiel der deutsche Gefangene lupenreines Deutsch spricht und nicht "Schieß dem Fenster", befiehlt wie einst Alan Rickman in Stirb langsam.

Autor: Benjamin Braun, Redaktion: Hagen Gehritz (GamersGlobal)
Amnesia - The Bunker PC

Fazit: Benjamin Braun

Im Detail macht Amnesia The Bunker mitsamt Safehouse und mehr offensiven Möglichkeit (auch wenn die ausschließlich dem Schutz dienen) einiges anders als Penumbra oder Soma. Im Kern aber ist es noch mal dasselbe in einem anderen Setting. Das finde ich aber keineswegs schlimm, sondern sogar gut, denn ich bekomme hier im Wesentlichen das, was ich von Frictional Games erhoffe: Ein intensives Survival-Horror-Spiel, das zwar die Action nicht gänzlich ausspart, aber eben viel mehr Wert auf Ressourcen-Management, Rätsel und ein vergleichsweise hohes Maß an Non-Linearität legt. Kein Überflieger, aber eine klare Empfehlung an alle Genre-Liebhaber und Frictional-Games-Fans.
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Benjamin Braun 8. Juni 2023 - 12:21 — vor 1 Jahr aktualisiert
Hagen Gehritz Redakteur - P - 182778 - 8. Juni 2023 - 12:21 #

Viel Spaß mit dem Kurztest von Benjamin!

joker0222 29 Meinungsführer - 114750 - 8. Juni 2023 - 13:01 #

Hm. Das spricht mich vom Setting her nicht an, erinnert mich aber daran, dass ich endlich mal Soma und The Bunker spielen müsste.

Funatic 20 Gold-Gamer - - 24696 - 8. Juni 2023 - 13:07 #

Soma ist für mich der beste Teil. Die Atmosphäre und das Setting haben mich damals echt reingezogen. Das Ende beschäftigt mich heute noch ab und zu :-)

joker0222 29 Meinungsführer - 114750 - 8. Juni 2023 - 13:11 #

Das klingt gut.

Bruno Lawrie 22 Motivator - - 33718 - 8. Juni 2023 - 13:33 #

Das Ende war zwar schon ziemlich vorhersehbar, aber trotzdem cool, dass sie das konsequent durchgezogen haben. Eigentlich ist es ja in zwei Teile aufgesplittet und ich frage mich bis heute, ob es nicht besser gewesen wäre, den zweiten Teil einfach wegzulassen.

Storytechnisch aber definitiv ihr bestes Werk und im Spielebereich, wo Stories meistens völlig belanglos sind, ragt Soma wirklich positiv hervor.

Spielerisch fand ich das erste Amnesia am besten.

Hagen Gehritz Redakteur - P - 182778 - 8. Juni 2023 - 13:35 #

Soma war definitiv die intelligenteste Geschichte von Frictional Games. Der Autor dahinter hat aber meines Wissens das Studio danach verlassen.

Benjamin Braun Freier Redakteur - 442381 - 9. Juni 2023 - 8:46 #

Der ist, meine ich, der Hauptautor des neuen Alone in the Dark.

direx 22 Motivator - - 37052 - 9. Juni 2023 - 7:01 #

Selbst Soma habe ich bei jedem Versuch, dass Ding endlich mal zu spielen, nach spätestens einer Stunde abgebrochen. Deswegen wird auch dieses Spiel hier nie auf meinem Deck landen ...

MicBass 21 AAA-Gamer - P - 29080 - 15. Juni 2023 - 12:16 #

Das klingt gut, Soma hab ich auch noch ungespielt hier rumliegen.

JensJuchzer 21 AAA-Gamer - P - 28381 - 8. Juni 2023 - 14:16 #

Ich sollte mal alle Teile nach The DArk Decent nachholen. Schlummern schön auf dem PoS. Daher werde ich jetzt noch nicht zuschlagen, auch wenn mir der Teil endlich wieder das Feeling gibt wie ich es beim ersten Amensia hatte.

Flooraimer 16 Übertalent - P - 4305 - 8. Juni 2023 - 15:01 #

Nachdem die Reihe letztens etwas abgeflacht ist, scheint man hier wieder zu alter Stärke zurückgefunden zu haben. Sehr schön :).

pillenpepi 10 Kommunikator - 365 - 11. Juni 2023 - 7:56 #

Also das pseudorussisch in metro macht für mich ganz viel der atmosphäre aus. Ich finde das richtig toll.
ontopic: nicht mein Fall.

Maverick 34 GG-Veteran - - 1334836 - 11. Juni 2023 - 18:34 #

Schöner Kurztest, in den neuen Amnesia-Teil will ich aufgrund des für mich interessanten Settings via GamePass mal zu gegebener Zeit reinspielen. ;)

TheRaffer 23 Langzeituser - P - 40525 - 13. Juni 2023 - 19:58 #

Steht auf der Liste :)
Setting ist mal was spannendes.