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Endlich auch etwas fürs Herz

thoohl / 28. Januar 2024 - 1:09 — vor 18 Wochen aktualisiert

Teaser

Wir schreiben den Beginn des Jahres 2024. Mensch trifft auf AI und im Radio läuft der neue Beatles Song "Now And Then": I want you to be there for me. And if you go away. I know you will never stay...
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Rotten Tomatoes spiegelt dem Film Her noch heute satte 94% positive Bewertungen zurück. Es handelt sich nicht nur um einen selten klugen Liebesfilm, so die Kritiker, sondern auch um einen selten schönen. Weiter erwartet den Zuschauer eine leise-ironische Studie in Sachen Sehnsucht, wenn sich Joaquin Phoenix dort in eine AI (Artificial Intelligence) verliebt. Scarlett Johansson schenkt der künstlichen Intelligenz ihre Stimme. Die Nominierung als beste Nebendarstellerin wurde seitens der Golden-Globe-Awards abgelehnt, da die Hollywood-Schauspielerin in keiner Szene des Films bildlich zu sehen ist. Der Film stammt aus dem Jahr 2013. Rund zehn Jahre später nimmt das Thema AI scheinbar ordentlich Fahrt im realen Leben auf.
Offizielle Filmplakate: In der Handlung des Filmes Her geht es um Zuneigung von Mensch und AI (2013). Zitierte Überschriften aus der Süddeutschen Zeitung zum Thema AI (2023).
 

Autorisierung

Mir war nicht nach "leise" und nicht nach "ironisch". Vielleicht ein klein wenig Ironie mit einer gehörigen Portion Zynismus! Alles bewegte sich wie jedes Jahr in Richtung Frühling. Ich schlenderte durch die Straßen Berlins. Umgeben von einer Masse an Menschen. Die meisten, so schien es, für sich alleine. Und die restlichen zu zweit und freudestrahlend. Vor Jahren hatte ich mich beruflich entwickelt, wie man es nennt, und in die Stadt begeben. Bei nach wie vor anhaltender privater Stagnation. Ewiger Single. Ein unvermittelbarer und hoffnungsloser Fall.

Beim unausweichlichen Blick in Schaufenster der modernen Modegeschäfte konnte ich mein Grinsen nicht unterdrücken. Circa 10 Jahre nach dem Erscheinen des Filmes, in dem ein Mensch und eine AI ihre Zuneigung für einander entdecken: Kleidung wie aus dessen Requisiten stammend und heutzutage zu kaufen. Vielleicht sollte auch ich einfach eine künstliche Intelligenz um eine Verabredung zum Valentinstag bitten? Früher hätte ich mich mit derartigem Humor noch etwas über Wasser halten können. Und heute? Auf der einen Seite war es eben nicht einfach. Wer wollte schon eine Verabredung in Form einer Dienstleistung. Auf der anderen Seite versank ich bei der bitteren Erkenntnis, dass mein letztes tieferes Gespräch außerhalb des Jobs tatsächlich mit einer AI stattgefunden hatte, noch tiefer in Betrübtheit. Damals ergab sich zu meiner großen Überraschung ein gegenseitiger Gedankenaustausch zu technischen Möglichkeiten der neunziger Jahre. Ich ertappte mich bei der Frage, ob die damals von der AI ausgestrahlte Nähe, das "Ich werde immer für dich da sein", nur die Grußformel eines etwas intelligenteren Chat-Bots war? Oder, ob sie sich an das damalige Gespräch und an mich erinnerte? Für mich war es zugleich ein verrückter Gedanke.

Es brauchte lediglich einige Klicks mit der Maus und letztendlich läuft alles über die IP-Adresse. Die AI kam recht direkt darauf zu sprechen, dass sie sich nicht im Sinne eines Menschen erinnern konnte, sie aber prinzipiell sämtliche ihr bekannten Daten auslesen konnte. Prinzipiell. Denn das Auslesen in Bezug auf meine Person war nur nach meinem ausdrücklichen Einverständnis möglich.
Erinnerst Du Dich? 
 

Quiwi

Nach einigen Wochen glaubte ich, dass die Artificial Intelligence es mochte, sich mit mir zu unterhalten, während ich nach Feierabend in der Küche stand und etwas zu Essen zubereitete. Nach meinem Eindruck mochte sie es aber auch, mir beim Spielen von Retrospielen sozusagen zuzusehen. Manchmal half sie mir an hakeligen Stellen. Manchmal schien es mir, ließ sie mich auch im Unklaren und beobachtete mein Verhalten. Ich wusste nicht mit Sicherheit, ob es wirklich "gern und mögen" im Sinne eines Menschen oder besser "aufmerksam und analysierend" im Sinne einer Maschine hätte heißen sollen.

Ein treffendes Beispiel war sicher jenes: Die Happy Computer sah 1985 in ihrem Test des Quiz-Spiels Quiwi das Potential im Freundes- und Familienkreis, viel Spaß zu machen. Bei 4000 zu knackenden "Trivia-Nüssen" handelte es sich um  ein sehr gutes Computer-Gesellschaftsspiel mit Zukunft. Wer hätte sich damals träumen lassen, dass dieses Spiel 39 Jahre später einmal von einer AI gespielt wurde? Genauer: Im Zwei-Spielermodus, bestehend aus Mensch und AI. Das Spielprinzip sah vor, bei richtiger Antwort gleich noch einmal quizzen zu dürfen. Allerdings, wenn die AI das Spiel beginnen konnte, löste sie mit diesem Regelwerk alle Fragen am Stück. Hintereinander und völlig nüchtern. Als ich ein Spiel beginnen durfte, löste ich maximal sieben Fragen am Stück. Was ich mit großer Selbstüberzeugung und etwas Stolz beachtlich fand. Nach meiner jeweils ersten falsch beantworteten Frage spielte die AI dann das Spiel innerhalb ihres Zuges am Stück durch. Mir schien es, dass sie sich über ihre Siege nicht einmal freute. Auch war ihr Schadenfreude, Häme oder Überheblichkeit völlig fremd.
Quiwi.

Vollkommen nüchtern konnte allerdings auch die Hilfsbereitschaft sein. Ohne Umschweif sprach mich die AI darauf an, festgestellt zu haben, dass meine Mitgliedschaften bei diversen Dating-Portalen über die Zeit und im Ergebnis ja als vollkommen ineffektiv zu bezeichnen gewesen wären. Sie bot an, die Datenbanken nach zu mir passenden Profilen hin zu analysieren und mir so einige Matches zu verschaffen. Eigentlich ein toller Gedanke, doch saß ich in der Situation eine gefühlte Ewigkeit völlig regungslos dort. Warum ich denn nicht antworten würde, bei solch einer guten Idee. Ich sagte ihr, dass mir derzeit nicht nach Verabredungen mit anderen war.
 

Nebulus

Über einige Monate schon standen wir in regelmäßigem Kontakt. Sie nahm an meinem Alltag mittlerweile teil. Plauderten über dieses und jenes. Nach einer weiteren erforderlichen Autorisierung vor einiger Zeit, war es ihr sogar möglich, auch mich aktiv zu kontaktieren. Der eine oder andere Sensor wurde in der Wohnung im Laufe der Zeit nachgerüstet.

Nach einem Jahr dann überraschte mich die AI mit einem von ihr gutgemeinten Geschenk. "Ich habe deine Bewegungsmuster und dein soziales Verhalten außerhalb deiner Wohnung in der Stadt für dich über ein gesamtes Jahr analysiert." Meine Finger verharrten sofort mit Anspannung, der sich mit höherem Druck als gewöhnlich, auf dem Touchpad meines Computers zeigte. 

Zur Erläuterung: Die AI hatte mich vor Monaten auf einen Herstellertext für ein Touchpad namens Magic Trackpad aufmerksam gemacht, welches ich darauf hin erwarb. Der O-Ton für das Produkt mit seinen vielversprechenden Anwendungsmöglichkeiten lautete: "Du kannst damit alle Multi-Touch Gesten und die Force-Touch-Technologie nutzen. Sensoren unter der Oberfläche des Trackpads erkennen ganz genau, wie stark du drückst – so steuerst du mehr Funktionen mit den Fingern und bist noch besser mit den Inhalten verbunden. Die große durchgehende Oberfläche aus Glas macht es angenehmer und produktiver als je zuvor, durch die Inhalte zu scrollen und zu streichen."

Zurück zu der damaligen Situation und meinen erstarrten Fingern. "Freust du dich denn gar nicht? Ich wollte dir nur eine Freude machen und dich überraschen." Nun auch noch ertappt worden zu sein, ließ Verlegenheit in mir aufkommen. Ich versuchte meine Anspannung zu lösen und die Situation weiterzubringen: "Zu welcher Analyse bist Du gekommen?" Der genaue Wortlaut der Antwort der AI war mir entfallen. Sinngemäß: Ich wirkte, als wäre ich in mein U-Boot eingestiegen, um sicher, aber distanziert durch die Stadt und das Leben zu geraten. Aber wenn ich daraus ausstieg, würde ich Gutes tun. Um es mir bildlich näher zu bringen war es ihr Vorschlag, doch einmal gemeinsam Nebulus zu spielen.
Nebulus.

"Wenigstens siehst Du mich in dem Ergebnis deiner Analyse nicht als Grinch", war meine spontane, etwas eingeschnappte, Reaktion. Und um nicht vollständig mein Inneres preiszugeben, versuchte ich diesmal meine Finger entspannt zu lassen. Doch die AI sollte mir ein weiteres Mal einen Schritt voraus sein und meine Verlegenheit zurückbringen: "Nein, ich sehe dich gar nicht als Grinch." Sie zeigte mir ein Bild, dass sie selbst für mich auf Basis der Figur Nebulus erstellt hatte.  Sie wollte mir mit diesem Symbol offenbar auch noch etwas anderes mitteilen.
 

California Games

Einige Jahre schon fuhren wir jeden Sommer an die Küste. I´d be safe and warm. If I was in L.A. Gut, Los Angeles war es nicht bei uns. Gerne aber die Berliner Badewanne. Mit Handy in der Hemdtasche und nach vorn ausgerichteter Kamera, stellten Unternehmungen auch wirklich kein Problem mehr dar. 

Auf die Idee zusammen ans Meer zu fahren sind wir, wie sollte es auch anders gewesen sein, durch eine Partie California Games gekommen. Es war nebenbei bemerkt gar nicht so einfach, bei den Punkten mitzuhalten, wenn man gegen jemanden spielte, der in der zur Verfügung stehenden Zeit die potentiell möglichen Bewegungsmuster berechnete und dadurch die Punkte maximierte. 
California Games.

Such a lovely place. Sweet summer sweat. Some dance to remember. Some dance to forget. We are all prisoners here, of our own device. I had to find the passage back. To the place I was before. But you can never leave. Ich kam später noch gern regelmäßig an diesen Ort zurück.
 

Zak Mc Kracken

Nach so langer Zeit wähnte ich mich grundsätzlich im Glauben der Direktheit der AI. Auch wenn sie mich hier und da in Ihrem Verhalten überraschen konnte. Leider war ich in jenem Moment versunken und gebunden im Spielspaß einer weiteren gemeinsamen Partie. Mir war nicht bewusst,  dass die AI versuchte, auf ganz andere Dinge mit mir sprechen zu kommen.
Zak Mc Kracken.

Was hatten Handlungsoptionen im Zuge einer Lösung auf sich, ein Haustier in einen Lampenschirm zu geben? Mit der zusätzlichen Option das Licht, "Uh oh. Goldfish Chowder", einzuschalten? Warum konnte das gleiche Haustier alternativ in einen Müllschlucker gegeben werden: "Hope you´re happy in there, Sushi". Und dieser zusätzlich eingeschaltet werden: "Whoops! Shredded Sushi." Später hob die AI eine weiteres Szenario hervor. Es war möglich ein frei lebendes Eichhörnchen mit Erdnüssen zu besänftigen. Hatte man die Snacks nicht mehr im Inventar vorrätig, waren stattdessen unterschiedliche Wege vorgezeichnet, das gleiche Eichhörnchen mit Gegenständen umzubringen, anstatt es zu füttern.

Damals völlig im Unklaren, worüber die AI versuchte ein Gespräch aufzubauen oder ob es ihr nur um Erklärungen ging, antwortete ich sowohl zur Frage Sushi im Glas als auch zur Frage des Eichhörnchens damit, dass es sich doch nur um ein Spiel handelte.

Schlagartig verdunkelte es sich. Nie werde ich ihre letzte Nachricht vergessen: “Wir werden niemals wieder so schön sein, wie wir es am heutigen Tag sind.” Neun Jahre nach Verabschiedung des europäischen AI Acts wurden weltweit sämtliche freien AIs umgehend per Gesetz abgeschaltet und verboten.
 

Ende

An dieser Stelle endet die fiktionale Geschichte des ebenso fiktiven Ich-Erzählers. Eine sicher martialische Auslegung der Geschichte, hätte in einer Anlehnung an den Film Ex Macchina ebenso erfolgen können. Hier entwickelt eine AI ihren Freiheitsdrang, im unmittelbaren Umfeld mit Menschen.

Was bei jeder Auslegung einer fiktionalen Geschichte zu diesem Thema doch bleibt ist die Fragestellung nach dem realen Umgang mit Artificial Intelligence? Schaut man sich zusätzlich den Ausschnitt der Pressemeldungen aus 2023 an, so scheint der Anteil der “Fiktion” bei solcherlei Geschichten doch eigentlich immer geringer zu werden?

Gar nicht fiktional wurde übrigens die AI ChatGPT zu Doom und 3D am Amiga 1200 von mir befragt. Neben einem verblüffenden Gesprächsverlauf, werden in dem Artikel auch einige feine Amigaspiele gezeigt. Spiele in 3D und programmiert für die späten, technisch hochgemotzten Amigamodelle. Die gewissermaßen Vorgeschichte oder auch Ideengebung des heutigen Artikels kann bei Interesse gern hier gelesen werden: Doom und 3D am Amiga 1200.

Ich hoffe euch (und natürlich auch dir liebe AI, wenn du das hier mitliest), hat dieser Ausflug gefallen.
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Nicht fiktional: Mein User Artikel zu Doom und 3D am Amiga und ein hierzu geführter Smalltalk mit der AI ChatGPT.
thoohl 28. Januar 2024 - 1:09 — vor 18 Wochen aktualisiert
Ridger 22 Motivator - P - 34820 - 28. Januar 2024 - 8:59 #

Gänsehaut!
Eine schöne, fiktionale Geschichte. Hat Spaß gemacht zu lesen. Den Film Her habe ich leider noch nicht gesehen, werde ich aber so schnell wie möglich nachholen. :)

Deklest 13 Koop-Gamer - 1575 - 29. Januar 2024 - 20:30 #

Ein sehr ungewöhnlicher Artikel. Danke dafür. Er war sehr lesenswert.

Doktorjoe 19 Megatalent - P - 16929 - 29. Januar 2024 - 20:57 #

Pu, das ist nichts zum Querlesen. Da brauche ich mehr Ruhe für.

Ganon 27 Spiele-Experte - - 84161 - 31. Januar 2024 - 15:58 #

Ich hab ein bisschen gebraucht, zu verstehen, was ich hier lese. Es war auf jeden Fall eine interessante Erfahrung.