Banishers - Ghosts of New Eden Test+

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Es ist beinahe so etwas wie eine Volksweisheit, dass Liebe über den Tod hinaus geht. Normalerweise kann man das dem verstorbenen Geliebten nicht mehr beweisen. Bei den Protagonisten von Banishers - Ghosts of New Eden ist das anders. Im neuesten Werk des Studios Don't Nod, das mit Life is Strange große Bekanntheit erlangte, spielt ihr das Duo Red mac Raith und Antea Duarte. Durch Anteas Tod werden beide zwar vorläufig auseinander gerissen, Reds bessere Hälfte kehrt jedoch bald als Geist an seine Seite zurück. Als sogenannter Verbanner wäre Red sogar in der Lage, Antea unter die Lebenden zurück zu bringen. Dafür allerdings müsste er just das tun, wovon die beiden Geister abhalten: Anderen Menschen die Lebensessenz rauben.

Die Wahl, ob ihr dies tut oder einen anderen Pfad einschlagt, habt ihr im Rahmen eines Entscheidungssystems in Banishers gleich dutzendfach. Weshalb mich das allenfalls in Ansätzen in eine moralische Zwickmühle brachte, die dem Team im geistigen Vorgänger Vampyr (im Test) gut gelang, und weshalb ich nichtsdestotrotz das neue Action-Rollenspiel von Don't Nod für das bislang beste Spiel der Franzosen halte, erfahrt ihr hier sowie im 4K-Test mit Szenen aus der PS5-Fassung.

Die Verbanner-Quests bieten interessante Geistergeschichten, einzigartige Mechaniken und eine wiederkehrende, vor allem für das Ende wichtige Entscheidung. Der Reiz der "moralischen Zwickmühle" geht aber zum Teil flöten, da euch das Spiel genau sagt, welche Entscheidung euch (angeblich) näher zu welchem Ziel führt.

 

Moralische Entscheidungen ohne Bedenken?

Wie bereits erwähnt, nutzt Don't Nod in Banishers ein Entscheidungssystem, das entfernt an jenes aus Vampyr erinnert. Konkret trefft ihr (hauptsächlich in Nebenmissionen) immer wieder auf Menschen, die von Geistern heimgesucht werden. Das tritt Detektivarbeit los, bei der ihr mehr über die Toten erfahrt. Am Sterbeort der Person lasst ihr sie schließlich mit einem eurer Geister-Rituale erscheinen und sprecht mit ihnen. Oft wurden die Geister ermordet oder jemand hat auf andere Weise Schuld auf sich geladen. Im finalen Abschnitt dieser Missionen folgt besagte Entscheidung, bei der ihr meist zwischen einer von drei Alternativen wählt: Geist verbannen, Geist in den Himmel aufsteigen lassen oder aber ihr bestraft einen der Lebenden für seine (vermeintliche) Schuld und raubt ihm dabei die Lebensessenz. Letzteres, daran lässt das Spiel schon früh keinerlei Zweifel, ist eure einzige Möglichkeit, Antea wiederzubeleben.

Die Klarheit darüber, was angeblich was bewirkt, sorgt zumindest bei mir dafür, dass ich letztlich bloß die Entscheidung treffe, die mich meinem gewünschten Ziel näherbringt. Rücksicht darauf, ob das nun fair und richtig oder egoistisch und falsch ist, nehme ich deshalb keine. Das ging mir in Vampyr ganz anders. Da habe ich zudem nicht nur wegen "richtig" oder "falsch" oft gezögert und hin und her überlegt. Sondern auch, weil die Entscheidungen in Vampyr Einfluss auf die Stärke meines Vampirs genommen haben. Deshalb fehlt mir in diesem Bereich in Banishers etwas, das mich mehr zum Nachdenken bringt oder später stärker so etwas wie Reue erzeugt. Damit will ich gar nicht sagen, das Entscheidungssystem in Banishers wäre schlecht, zumal sich meine Wahl dennoch oft deutlich auf den Verlauf des Spiels auswirkt. Hätte ich mehr mit meinen Entscheidungen hadern müssen, hätte das der Story aber noch etwas mehr Tiefgang gegeben.

Nichtsdestotrotz gefällt mir die Geschichte inklusive des nicht schnulzigen (!) Love-Story-Anteils gut, und auch die kleinen Geistergeschichten der Quests. Banishers könnt ihr dabei auch gut in der vollständig lokalisierten deutschen Sprachfassung genießen. Ein paar Fehler und schwächer besetzte Nebenrollen gibt es zwar, aber das ist nichts, weshalb ich zu einer anderen Sprachfassung raten müsste.

Ihr spielt abwechselnd beide Helden, könnt aber deren Kräfte in Form charakterübergreifender Kombos verbinden. Erst sehr spät in der Mainquest vereinen beide ihre Kräfte in einem letztlich recht typischen Rage-Modus.

 

Im Kampf vereint

Neben der Story steht in Banishers die Action im Zentrum des Geisterjäger-Abenteuers. Die grundlegenden Funktionen des Kampfsystems und teils  auch das Steuerungslayout erinnern entfernt an Dark Souls und Konsorten. Ihr könnt Gegner aufschalten, mit Red leichte und schwere Hiebe verteilen, wahlweise blocken/kontern oder feindlichen Attacken ausweichen. Banishers bietet aber so einige Besonderheiten. Die wichtigste ist, dass ihr hier eben nicht nur mit Red kämpft, sondern normalerweise jederzeit auf Antea wechseln könnt (was spielmechanisch einer Verwandlung gleichkommt).

Antea prügelt mit bloßen Fäusten auf die Gegner ein, die vornehmlich aus Gespenstern oder von Geistern beherrschten Leichen und Tierkadavern bestehen. Dazu kommen Magie-artige Skills, unter anderem ein Teleportschlag, eine Druckwelle oder auch ein Spektralnetz, mit dem ihr Gegner zwischenzeitlich fesselt. An sich steuert ihr immer nur einen der beiden, und jeder sammelt Energie für die jeweilige Spezialleiste für sich. Ihr könnt aber durch schnelle Wechsel die Kräfte auch kombinieren, um zum Beispiel eine charakterübergreifende Nahkampfkombo zu zünden. Sehr komplex ist das System zwar nicht, aber angemessen vielfältig. Nicht zuletzt aufgrund der immer wieder neu eingeführten Gegnertypen – oder auch der Tatsache, dass ihr erst eine Leiche besiegen müsst und dann den Geist, der darin steckt – hatte ich aber durchweg Spaß an den recht flotten Kämpfen.

Im Rahmen eines rollenspielwürdigen Charaktersystems könnt ihr auch eine Reihe von Skills aktivieren, die überwiegend Perk-Charakter aufweisen – die grundlegenden Fähigkeiten wie die Spektralexplosion von Antea und den Zugriff auf den damit verknüpften Skilltree schaltet ihr relativ linear an bestimmten Punkten der Story frei. Zu den Skills, die ihr frei aktiviert zählt unter anderem, das Tragelimit an Sud (also Heiltrank) von drei auf vier zu erhöhen. Andere erzeugen fortan eine Schadenszone am Boden, wenn ihr einen Gegner mit einer bestimmten Aktion besiegt. Das Besondere: Ihr könnt nicht alle Knoten des Skilltrees aktivieren, sondern müsst euch zwischen Alternativen entscheiden. Passt eure Auswahl für euch nicht, könnt ihr euch wiederum die investierten Skillpunkte jederzeit erstatten lassen und ohne Abzüge neu vergeben.

Zu den Verbesserungsoptionen zählen außerdem etliche Ausrüstungsobjekte wie unterschiedliche Arten von Suden, Rüstungen oder Talismanen, die ihr in der Welt finden, aber teils auch bei Händlern kaufen könnt. Die haben unterschiedliche Eigenschaften und beeinflussen eure Attribute. Kriegsentscheidend ist die Verwendung dieser Flinte oder jener Brosche auf dem normalen Schwierigkeitsgrad nicht unbedingt. Aber Raum zum Experimentieren oder um das Loadout an eure Bedürfnisse anzupassen, gibt es reichlich. Ich selbst habe tatsächlich eher selten gewechselt, dafür aber an den Rastpunkten immer die verfügbaren Upgrades durchgeführt, was für mich eine quasi optimale Spielbalance erzeugte. Für diese Upgrades braucht ihr übrigens "nur" die richtigen Zutaten.  Notwenige Spezialobjekte dafür könnt ihr euch, genauso wie zusätzliche Skill-Punkte, auch im Nebenmissionsbereich erarbeiten. Es lohnt sich also, das üppige, nicht-verpflichtende Angebot in der Welt wahrzunehmen. Ich habe das tatsächlich automatisch gemacht, denn in dieser Welt fiel es mir wirklich schwer, nicht so viel wie möglich mitzunehmen – und das eben nicht aus einer Notwendigkeit heraus.

Es gibt auch etliche größere Zwischengegner und eine allgemein angenehme Vielfalt an Standardgegnern. Auf "echte" Bosse trefft ihr in der Main Quest aber eher selten. Dafür sind die dann oft spektakulär groß oder spielmechanisch besonders einfallsreich.

 

Lineare Open World

Ihr könnt in Banishers der Hauptstory auf Wunsch ziemlich strikt folgen. Lediglich die theoretisch ebenfalls überwiegend optionalen "Entscheidungsmissionen" könnt ihr für das Erreichen eines bestimmten Endes nicht komplett ignorieren. Die Welt ist aber nur in bestimmten Storyabschnitten schlauchiger angelegt, wobei immer wieder mal etwas zu aufdringlich Funktionen wie die Schnellreise zwischen den freigeschalteten Rastpunkten eingeschränkt werden. Aber selbst in diesen Passagen findet ihr ständig optionale Areale mit versteckten Beutetruhen oder verschlossene Türen, für die ihr den passenden Schlüssel finden müsst. In der Welt selbst ist das, im positiven Sinne, noch extremer. Dort gibt es unzählige Abzweigungen in nicht verpflichtende Bereiche, in denen euch lohnenswerte Geheimnisse, seltene Ressourcen und natürlich auch Kampfherausforderungen erwarten. Oft verknüpft mit kleinen Rätseln. Zum Beispiel könnt ihr eine Türsperre nur von einer bestimmten Position mit dem Gewehr zerstören.

Zumeist könnt ihr die Geisternester, in denen die dicksten Kampfchallenges warten,  nur einmal spielen. Es gibt aber auch "unendliche" Varianten, die besonders knifflig ausfallen und mit jeder bewältigten Stufe eine noch größere Herausforderung bieten. Um diese Nester zu "starten" muss Red ein Ritual durchführen, für das er bestimmte Zutaten benötigt. Rein theoretisch kann es passieren, dass ihr nicht alles dafür bei euch habt. Allein die Tatsache, dass mir das nicht ein einziges Mal passiert ist, zeigt, wie viel ich in dieser Welt im wahrsten Sinne des Wortes mitgenommen habe. Denn obwohl hier massenhaft verschiedenste, in Teilen sogar für meine Spielweise eigentlich nutzlose Ressourcen allerorts rumliegen, habe ich wirklich fast alles davon eingesammelt. So primitiv das eigentlich ist, in Banishers macht mir selbst das wirklich Spaß! Und ich kann nicht behaupten, dass mir das beim Holzsammeln in Tomb Raider oder dem Auflesen von Ressourcen in Horizon - Forbidden West durchweg genauso ging. 

Autor: Benjamin Braun, Redaktion: Hagen Gehritz (GamersGlobal)